Manchmal beginnt ein musikalischer Disput nicht mit Pauken und Trompeten, sondern mit spitzer Feder. Im Jahr 1737 veröffentlichte der deutsch-dänische Komponist und Musikkritiker Johann Adolph Scheibe (1708-1776) eine Glosse in seiner Zeitschrift „Der Critische Musicus“. Zielscheibe seiner satirischen Spitze war kein Geringerer als Johann Sebastian Bach (1685-1750). Ohne ihn beim Namen zu nennen, kritisierte er dessen Kompositionsstil als „verworren“ und „schwülstig“. Die Antwort folgte prompt: Der Rhetorikdozent Johann Abraham Birnbaum sprang seinem Freund Bach öffentlich zur Seite. Und so entbrannte ein Streit, der sich
über Jahre hinzog. Diesem Konflikt widmet sich nun das renommierte Ensemble Concerto Köln auf ihrem Album „Bach vs. Scheibe“.
Diesem Streit nähert sich das auf historische Aufführungspraxis spezialisierte Orchester auf musikalischem Wege. Werke von Bach und Scheibe werden einander gegenüberstellt. Statt eines Zwists entsteht auf diese Weise ein Dialog. Concerto Köln Für die vorliegende Aufnahme hat sich Concert Köln zwei Gäste eingeladen. Da ist als erstes die aus Baden-Württemberg stammende junge Sopranistin Marie-Sophie Pollak zu nennen. Sie fühlt sich in der Barockmusik zu Hause und vereint scheinbar mühelos historisches Stilgefühl mit lebendiger und differenzierter Ausdrucksstärke. Der zweite Gast ist Blockflötist und Cembalist Max Volbers, der sein ganzes Können und seine fundierte Erfahrung im Bereich der Alten Musik mit einbringt. Allem voran übernimmt er die Leitung des Ensembles. Er lässt sich aber nicht nehmen für ein Stück („Himmelskönig, sei willkommen“ BWV 182) auch zur Blockflöte zu greifen und den Solo-Part zu übernehmen. Er spielt er an verschiedenen Stellen auch Cembalo und ist der Verfasser des Booklet-Textes.
Die Aufnahme beginnt mit Bachs strahlender Kantate „Jauchzet Gott in allen Landen“, deren Virtuosität in der prachtvollen Bearbeitung von Wilhelm Friedemann Bach noch gesteigert wird. Scheibe kontert mit der Kantate „Wer sich rühmen will“, in der seine Liebe zur galanten Melodik und stilistischen Klarheit hörbar wird. Ob Instrumentalwerke wie Bachs c-Moll-Konzert BWV 981, die Sinfonia zu „Ich hatte viel Bekümmernis“, vokale Preziosen wie „Süßer Trost“ oder Scheibes empfindsame Arien – jedes Stück wird zur Argumentation im klingenden Streitgespräch. Und so beinhaltet dieses Album mehr als nur Musik zweier Zeitgenossen. Es zeigt vielmehr den Wandel vom Hochbarock zur Klassik und ist Ausdruck eines ästhetischen Generationenkonflikts. Concerto Köln lädt ein, Vorurteile zu prüfen und über Geschmack zu diskutieren. Vor allem aber bietet „Bach vs. Scheibe“ das Vergnügen historisch informierte und lebendig interpretierte Musik zu genießen. Wenn zwei sich musikalisch so brillant „streiten“, dann freut sich das Publikum!